Auf dem Jakobsweg

Vor ungefähr 30 Jahren wurde diese alte Pilgerroute, die sich quer durch Europa zieht, wieder entdeckt.  Ich denke, der Jakobsweg ist keine Mode und kein Boom, der  mit der Zeit vorbeigeht, die Menschen machen sich auf den Weg und das mit steigender Tendenz, und das nicht weil man jetzt wieder so katholisch geworden ist. Ich kenne einige Frauen und Männer, die nach Santijago de Compostela  gewandert sind, und alle berichteten, dass dieser Weg etwas mit ihnen gemacht habe. Sie sagten: „Ich bin durch den Jakobsweg etwas ruhiger, gelassener, disziplinierter und etwas ausdauernder geworden.“ Sie haben sich einer langen Anstrengung unterworfen, haben Entbehrungen auf sich genommen und sind am angestrebten Ziel angekommen und damit haben sie etwas ganz Wichtiges in ihrem Leben erreicht.   
Auch ich habe Lust bekommen, den Jakobsweg zu gehen.  Das Gehen und Wandern ist meine bevorzugte Bewegungsform. Wandern braucht keinen großen Aufwand, dazu kann man es jederzeit machen, man braucht keine teure Ausrüstung, man braucht nicht einmal andere Menschen dazu und man kann sich auch die Dosis selbst einteilen. Jetzt bin ich ins Schwärmen gekommen, ich liebe es zu gehen. Aber reicht meine Kondition aus für den Jakobsweg? Nein, die fünf Kilometer, die ich durchschnittlich jeden Tag gehe und eine Wanderung zum Wochenende, wenn das Wetter passt, machen mich noch nicht fit genug für diesen Pilgerweg. Ich bin einen Teil des österreichischen Jakobswegs gegangen und zwar jene Strecke, die durch meine geliebte Wachau führt. Vier Tage war ich unterwegs und statt meiner üblichen fünf Kilometer bin ich zwischen 20 und 25 Kilometer pro Tag gegangen.
 
Loswandern: Das heißt für mich, ich muss vieles zurücklassen, denn sonst wird mein Rucksack zu schwer. Meine Devise: nur das Allernotwendigste mitnehmen. Notfalls kann man sich unterwegs das Benötigte kaufen. Das bedeutet aber auch Bruch mit dem Bisherigen, ich muss mir neue Dimensionen erschließen. Ade mein gewohnter Tagesablauf, mein Komfort, meine Freunde und auf zu neuen Wegen, Erfahrungen, Begegnungen.
Weiterwandern: Wenn man schon eine Zeitlang unterwegs ist und sich überwindet, weiterzuwandern heißt das, sich auf die Probe stellen. In meinem Fall sind das die Überlegungen, ob ich durchhalte, ob ich genug Kondition habe, ob ich mich überhaupt überwinden kann.
Schon am ersten Tag taten mir die Füße weh und ich war müde.  Am zweiten Tag fing meine linke Schulter zu schmerzen an, obwohl ich wirklich mit leichtem Gepäck unterwegs war. Am nächsten Tag spürte ich meinen Körper sehr deutlich: Mein linkes Sprunggelenk schmerzte, die Muskeln spannten, meinen Herzschlag spürte ich bis in den Kopf hinauf, die Lungen atmeten heftig.
Bis zum Ende wandern bedeutet für mich, das Ziel erreicht zu haben. Auf dem Weg dorthin habe ich meinen Rhythmus gefunden, etwas über mich selbst erfahren und meinen Selbstwert gesteigert. Ich gratulierte mir für die anerkennenswerte Leistung, die ich erbracht hatte.
Diese vier Tage waren besser als jedes teure Selbsterfahrungswochenende, das man machen kann.
Eine Träumerin