Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Leserinnen und Leser ich wünsche Euch und Euren Liebsten eine ruhige, entspannte und harmonische Weihnachtszeit. Da heute der Heilige Abend ist, gibt es, wie es Brauch ist, eine Weihnachtsgeschichte.
Eine Träumerin
Drei merkwürdige Gäste an der Krippe
Kaum hatten die Hirten den Stall in Bethlehem verlassen, näherten sich drei merkwürdige Gestalten der Krippe.
Die erste Gestalt trug ein buntes Flickenkleid und war wie ein Clown geschminkt, aber unter der lustigen Maske wirkte sie traurig. Sie beugte sich über die Krippe und strich dem Kind zärtlich übers Haar. Da huschte ein leises Lächeln über ihr Gesicht. „Ich bin die Lebensfreude“, sagte sie, „aber die Menschen haben das wirkliche Lachen verlernt, sie sind traurig geworden bis ins Herz hinein. Vielleicht, weil sie das Danken verlernt haben, weil sie alles für selbstverständlich halten. Aus dem Vergessen aber wird Gleichgültigkeit geboren, und aus der Gleichgültigkeit wächst irgendwann Verzweiflung.“ Sie zog ihr Flickengewand aus und deckte das Kind damit zu. „Darum ist es kalt geworden in dieser Welt. Möge mein buntes Kleid dich wärmen. Schenke den Menschen wieder die wirkliche Lebensfreude zurück!“
Dann trat die zweite Gestalt vor. Wer genau hinsah, bemerkte ihren gehetzten Blick und die Eile. Erst vor dem Kind in der Krippe entspannten sich die Züge. „Ich bin die Zeit“, sagte die Gestalt und strich dem Kind in der Krippe zärtlich über die Wange, „aber zu viele haben keine Zeit mehr. Sie meinen, die Zeit vergehet im Fluge. Doch die Menschen haben das große Geheimnis vergessen: Zeit vergeht nicht, sie entsteht – wie eine Blume, wie ein Baum. Zeit trägt den Keim der Ewigkeit in sich, sie wächst überall dort, wo man sie mit anderen teilt.“ Dann griff die Gestalt in ihren Mantel und legte ein Stundenglas in die Krippe. „Diese Sanduhr schenke ich dir. Du wirst nicht allzu viel Zeit haben. Aber teile sie mit den anderen, und sie wird nie vergessen werden.“
Dann kam die dritte Gestalt näher. Ihr Gesicht war einmal sehr schön gewesen, aber jetzt wirkte es geschunden, verquollen, als ob sie immer und immer wieder geschlagen worden wäre. Als sie sich aber über das Kind beugte, um es zärtlich über das ganz Gesicht zu streicheln, da war es, als heilten die Narben und die Striemen, die ihr das Leben zugefügt hatte. „Ich bin die Liebe“, begann sie zu sprechen „Es heißt, ich sei viel zu gut für diese Welt. Deshalb tritt man mich mit Füßen und macht mich fertig.“ Während die Liebe so sprach, musste sie weinen und drei dicke Tränen tropften auf das Kind. “Wer liebt, hat viel zu leiden in dieser Welt. Nimm meine Tränen. Sie sind das Wasser, das den Stein schleift. Sie sind wie der Regen, der den verkrusteten Boden wieder fruchtbar macht und selbst die Wüste zum Blühen bringt.“