Der Wald wirkt Wunder

In meiner Kindheit verbrachte ich viel Zeit im Wald. Heute liebe ich ihn noch immer, auch wenn er kein Abenteuerspielplatz mehr ist. Geheimnisvoll ist der Wald für mich noch immer. Ich spaziere durch das Gehölz und lasse meine Welt hinter mir.

Bei Stress und Ärger gehe ich gerne durch den Forst meinen Hausberg hinauf. Ich atme tief die Waldluft ein, spüre den Wind auf meiner Haut, genieße das Licht- und Schattenspiel zwischen den Bäumen, höre den Gesang der Vögel und meinen Atem und steige so Meter um Meter hinauf. Ganz oben auf der Plattform der Aussichtswarte habe ich Abstand gewonnen zu den Ereignissen meines Tages, der Stress hat nachgelassen, der Ärger ist kleiner geworden.

Diese 45 Minuten Waldspaziergang haben es noch immer geschafft, mich zu verwandeln. Welche geheimnisvollen Kräfte sind da am Werk und vollbringen dieses Wunder?

„Waldbaden“ nennt man meine geliebten Waldspaziergänge heute.

Terpenen, so heißen die heilsamen Stoffe, die unserem Körper und unserer Seele so gut tun. Terpene sind Duftstoffe, die von Bäumen, Sträuchern und Pflanzen „ausgeschwitzt“ werden, die unseren „Nerv der Ruhe“ – den Parasympathikus – aktivieren. Dies führt zu einer Entspannung und Regeneration des Körpers sowie zu einem Wiederaufbau der geistigen und körperlichen Ressourcen.

Ich habe es schon immer gewusst, welche Kraftquelle der Wald ist. An Tagen, an denen ich mich müde und  schwach fühle, spaziere ich durch den Auwald und spüre wie meine Kraft zurückkehrt.

Vor vier Wochen wurde ich bei meinem Waldspaziergang von einem Gewitter überrascht. In dieser Welt bemerkt man nicht, was sich außerhalb zusammenbraut.  Die herannahenden Gewitterwolken wurden durch die hohen Bäume verdeckt. Erst, als der Wind auffrischte und ich erste Regentropfen spürte, bemerkte ich das kommende Gewitter und beschleunigte meine Schritte. Ein paar Minuten später war das Gehölz für mich ein gefährlicher Ort, aus dem ich so schnell wie möglich hinaus wollte. Es stürmte, die Äste knackten, die Bäume bogen sich im Wind, kleinere Zweige flogen durch die Luft und die Blitze zuckten. Ich verließ den Pfad und rannte auf kürzestem Weg dem Waldrand zu, das Adrenalin im Blut gab meinen Beinen Kraft. Nass bis auf die Haut kam ich zu Hause an und war froh das Abenteuer heil überstanden zu haben.

(Pexels)

Trotz alldem wurde meine Abenteuerlust geweckt und in einer lauen Sommernacht machte ich mich erneut auf den Weg. Dieser Nachtspaziergang durch den Wald wird mir noch lange in Erinnerung bleiben. Er berührte mich auf seltsame Weise und ließ mich innerlich ganz ruhig werden. Der Tanz der Glühwürmchen war für mich ein seltener Anblick und erstaunt war ich über die vielen Kröten, die meinen Weg kreuzten. Und wer weiß, welche Waldbewohner mich auf meiner nächtlichen Wanderung  beobachtet haben?

Auch in vielen Märchen ist der Wald ein Ort, in dem es immer wieder um die Überwindung von Ängsten geht. Die berühmtesten sind: Hänsel und Gretel, Rotkäppchen, Schneewittchen…
Der Märchendichter Folke Tegetthoff sagt: „Für die Märchenfiguren wird der Wald zum Überlebensraum, indem sie sich bewähren müssen und einem Wandel durchleben… Sie werden reifer, stärker und womöglich erwachsen und haben eine Art Selbstfindungsprozess hinter sich.“

Der Wald wirkt Wunder, hat es schon immer getan.
Heute haben wir es wissenschaftlich bestätigt.

Beim achtsamen Spazierengehen, Wandern oder beim modern gewordenen Waldbaden werden unser Körper, der Geist und die Seele wohltuend entspannt.

Welch ein Glück für mich, so nah am Wald zu leben.

Eine Träumerin