Was jetzt?

Was bleibt, wenn eine Welt zusammenbricht? Diese Frage stellte ich mir vor drei Monaten, als ein mir nahestehender Mensch einen schweren Schicksalsschlag erlitten hat. Ein tiefer Schmerz breitete sich in meinem Herzen aus. Auch andere Menschen in seinem Umfeld spürten diesen Schmerz, doch jeder auf seine eigene Weise. Hinzu kam eine lähmende Sprachlosigkeit: Es ist in unserer Gesellschaft oft verpönt, solche Gefühle offen zu zeigen. Daher neigen wir dazu, unseren Schmerz zu verdrängen und fühlen uns dadurch von anderen getrennt. Oder, was für mich noch schlimmer ist, wir zeigen nach außen hin Optimismus, während in uns die Zweifel nagen.
 
In meiner Einsamkeit suchte ich im Internet und in Büchern nach einer Hoffnungsgeschichte. Dabei stieß ich auf die Lebensgeschichte der Ballerina Gabrielle Roth. Nach einer Knieverletzung und der darauffolgenden Operation eröffneten ihr die Ärzte, dass sie nie wieder professionell tanzen könne. Ballett war ihre Welt gewesen, und diese Welt war nun zusammengebrochen. Zunächst überwältigte sie die Trauer, dann die Resignation. Doch schließlich formte sich tief in ihr eine entscheidende Frage und drängte an die Oberfläche: „Was jetzt?“ Roth fand ihre Antwort im Unterrichten, in der Musik und vor allem im Schreiben. Ihr wurde klar, dass es unzählige Möglichkeiten gibt, am Leben teilzunehmen, kreativ zu sein und einen eigenen Zugang zur Welt zu finden.
In einem ihrer Bücher fasste sie ihre Erfahrungen von Leid und Erlösung in wenigen Worten zusammen. Worte, die zu einem Mantra für all jene werden können, deren Leben aus den Fugen geraten ist. Diese Worte lauten: „Wenn sich in schamanischen Kulturen ein Mensch an einen Heiler wendet und klagt, dass er sich niedergeschlagen fühlt, im Herzen wund und seelisch krank, dann wird ihm eine Aufgabe gestellt. Diese besteht aus vier Fragen, die es ehrlich zu beantworten gilt:
  1. Wann hast du aufgehört zu tanzen?
  2. Wann hast du zuletzt gesungen?
  3. Wann haben erzählte Geschichten ihren Zauber verloren?
  4. Wie lange ist es her, dass du Erholung im Land der Stille gefunden hast?“
Diese vier Fragen können für uns Menschen Tore zur wahren Welt öffnen – zu einer Welt, in der sich unser Fühlen und Denken frei und richtig anfühlt. Vielleicht haben wir diese Tore verschlossen, weil uns etwas anderes wichtiger oder bedeutsamer erschien. Wer weiß – vielleicht haben wir uns auf einen Weg begeben, der sich nun als Sackgasse entpuppt. Dann ist es an der Zeit, den Schlüssel in uns zu finden, um die Tore wieder aufzustoßen. Wenn wir am Leben leiden, führt kein Weg daran vorbei, in uns selbst nach den Ursachen zu suchen. Und nur dort werden wir letztlich die Lösungen finden.
In letzter Zeit war ich zu sehr im Außen und habe mir Sorgen und Gedanken um Dinge gemacht, die mich eigentlich nichts angehen. Nun muss ich erneut lernen, loszulassen.
Eine Träumerin