Mund zu!

 
Seit Kurzem lautet mein neues Mantra: „Mund zu“. Eine Freundin empfahl mir das Buch „Breath – Atem“, und es hat meine Sicht auf etwas so Alltägliches wie das Atmen komplett verändert. Ich habe erkannt, wie schädlich Mundatmung für unseren Körper sein kann.
Durch den Mund einzuatmen bedeutet, ungefilterte und ungeheizte Luft aufzunehmen. Dies belastet die Atemwege, führt zu erhöhtem Wasserverlust, schlechtem Atem und begünstigt sogar Karies. Zudem erschlafft das weiche Gewebe im Rachen, was das Atmen erschwert. Die Nasenatmung hingegen wirkt wie ein natürlicher Filter: Sie reinigt, wärmt und befeuchtet die Luft, weitet die Atemwege und verbessert die Durchblutung des Gehirns. Auch das autonome Nervensystem profitiert davon.
Das Buch erzählt von beeindruckenden Beispielen, wie bewusstes Atmen die Gesundheit und das Leben von Menschen verändert hat. Ein indischer Arzt soll allein durch eine Umstellung seiner Atmung mehrere Kilo Gewicht verloren haben. Ein anderer Mann injizierte sich absichtlich das bakterielle Endotoxin E. coli und atmete in einem rhythmischen Muster, das sein Immunsystem so stimulierte, dass die giftigen Bakterien in wenigen Minuten unschädlich gemacht wurden. Es gab Berichte über Frauen, die ihren Krebs in Remission schickten, und Mönche, die mit ihren nackten Körpern den Schnee um sie herum schmolzen. Solche Geschichten klingen fast unglaublich, doch die Grundprinzipien dahinter sind jedem zugänglich. Sie haben ihre Wurzeln in jahrtausendealten Traditionen, seien es der Hinduismus, der Buddhismus oder das Christentum.
Diese „verlorene Kunst“ des richtigen Atmens, wie das Buch sie nennt, ist eine erstaunliche Wiederentdeckung. Schon im alten China, etwa 400 v. Chr., wurde im Tao beschrieben, wie der Atem – je nachdem, wie er eingesetzt wird – heilen oder schaden kann. Detaillierte Anleitungen, wie man den Atem reguliert, verlangsamt, anhält oder sogar hinunterschluckt, zeugen von einer tiefen Weisheit, die über Jahrtausende hinweg immer wieder in Vergessenheit geriet und neu entdeckt wurde.

Besonders irritiert hat mich die Erkenntnis, dass die moderne Medizin dem Thema Atmung erstaunlich wenig Beachtung schenkt. Laut dem Autor gibt es in der Pulmonologie – dem Fachgebiet der Medizin, das sich mit Lunge und Atemwegen befasst – so gut wie keine Forschung zur Atemtechnik. 
 
Viele Ärzte vertreten die Meinung, dass es egal sei, wie wir atmen, solange die Luft in die Lungen gelangt. Ihre Aufmerksamkeit liegt auf akuten Erkrankungen wie Kollaps, Krebs oder Emphysem. Die wirklich bahnbrechenden Erkenntnisse über die Wirkung bewusster Atmung stammen hingegen aus unerwarteten Bereichen – wie Zahnarztpraxen, psychiatrischen Kliniken und archäologischen Ausgrabungen.
 
Eine der einfachsten und wirksamsten Atemtechniken, die im Buch beschrieben werden, ist das sogenannte kohärente Atmen: 5,5 Sekunden einatmen, 5,5 Sekunden ausatmen – das ergibt etwa 5,5 Atemzüge pro Minute. Dieses Atemmuster hat eine ähnliche Wirkung wie Meditation oder Gebet. Tatsächlich entspricht es dem Rhythmus des Rosenkranzgebets und bietet eine spirituelle Heilwirkung, die auch Menschen ohne religiösen Glauben zugutekommt.
 
Seit ich dieses Buch gelesen habe, lautet mein persönlicher Auftrag: Mund zu und Nasenatmung an! Ich habe sogar begonnen, mir nachts den Mund zuzukleben, um auch im Schlaf durch die Nase zu atmen. Morgens und abends nehme ich mir ein paar Minuten Zeit für das kohärente Atmen.
Ich bin noch am Anfang meiner Reise, aber ich hoffe, dass ich meine Mundatmung langfristig ablegen kann. Das Buch hat mich überzeugt: Die Atmung ist mehr als nur eine automatische Funktion unseres Körpers. Sie ist ein kraftvolles Werkzeug, das unsere Gesundheit, unser Wohlbefinden und sogar unser Leben nachhaltig verbessern kann.
Eine Träumerin