Ich möchte mich erinnern….

Seit vielen Jahren schreibe ich in ein schön gebundenes Buch meinen Jahresrückblick. Mein Leben ist darin aufgezeichnet mit all seinen Licht- und Schattenseiten. Ich blättere darin und lese mir das ein oder andere Jahr durch.
Ich halte die großen und kleinen Freuden des Jahres fest, weil ich mich erinnern möchte. Ereignisse, Jahrestage, Feiern aber auch Schicksalsschläge werden notiert. Auf drei bis vier Seiten wird alles festgehalten, was mir wichtig ist und war.

In welchem Jahr hatten wir unseren traumhaften Urlaub in Kärnten? Ich habe einmal im Casino 700 Euro gewonnen, das hatte ich doch tatsächlich schon vergessen. Ist es wirklich schon fünf Jahre her, dass ich mir ein Auto gekauft habe? Wie schnell die Zeit vergeht.
Der Jahresrückblick von 2018 fehlt. Ich war damals nicht in der Lage aufzuschreiben, was gerade passiert. Es wären Worte voller Verzweiflung, Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit gewesen. Ein Schicksalsjahr, das vieles für immer verändert hat.
Hätte ich damals, am 31. Dezember 2018, alles niedergeschrieben, wären viele Ereignisse des Jahres einfach nicht erwähnt worden oder sie wären von der Katastrophe, die im November passiert ist, überschattet gewesen. 10 Monate voller Licht und Freude wären von zwei Monaten voller Dunkelheit und Schmerz verschluckt worden.
Die großen Familienfeiern, die schönen Ferien und so mancher Erfolg wären einfach vergessen.
Erst im Sommer 2019 habe ich aufgeschrieben, was sich alles 2018 ereignet hat. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich auch das Gute dieses Jahres wieder sehen. Der Höhepunkt der Katastrophe war überschritten. Wir haben als Familie zusammengehalten und überlebt. Noch hatten wir keine Ahnung, wie es weitergeht, aber wir wussten, es geht weiter.
 
Licht und Dunkelheit sind Symbole des Lebens. Damals wurde mir bewusst, dass Dunkelheit das Licht verschlingen kann. Mit dem Frühling 2019 kamen das Licht und die Hoffnung zurück.
Ich will mich daran erinnern, dass nach jeder Nacht ein neuer Tag kommt. Irgendwann endet jede Angst, jede Bedrohung, jede Ohnmacht. Irgendwann sprießt wieder Hoffnung in der Seele.
 Im Jahr 2018 wurde mir bewusst, wie schnell das gute Leben ein Ende haben kann. Wir leben alle sprichwörtlich „auf sehr dünnem Eis“.
Ich habe bemerkt, dass wir in schlimmen Zeiten nicht mehr in der Lage sind, das Gute zu sehen.
Dankbar nahm ich wahr, dass Freunde ein Stück des schweren Weges mit mir gingen.
Es waren Menschen voller Liebe und Mitgefühl, die uns halfen, alles durchzustehen. Und daran möchte ich mich erinnern.
Eine Träumerin