Sein Schicksal lieben?
Ich lese gerade ein Buch mit dem Titel „Und Nietzsche weinte“. Darin sagt Nietzsche: „Der Schlüssel zu einem erfüllten Leben liegt darin, das Unumgängliche zu wollen und dann das Gewollte zu lieben.“ Kurz gesagt: „Liebe dein Schicksal!“ Ein Ratschlag, der für mich wie ein Schlag ins Gesicht wirkt, besonders wenn man mit großen Problemen im Leben konfrontiert ist. Seltsamerweise geht mir dieser Satz seit Tagen nicht mehr aus dem Kopf. Liebe dein Schicksal! Welche Zumutung, aber warum reibe ich mich so an der Aussage und warum tue ich sie nicht als unzumutbar, unsensibel und hirnrissig ab?
Warum berührt mich diese Aufforderung so? Ich kämpfe gegen meine zunehmende Schwerhörigkeit und wehre mich gegen die damit verbundenen Einschränkungen. Ich will und kann sie nicht annehmen. In manchen Stunden bedauere ich mich und beklage mein Schicksal.
Eine Freundin verbringt viel Zeit damit, über all die Fehler nachzudenken, die sie und ihr Ex-Mann gemacht haben. Sie wünscht sich, vor den Trümmern ihrer Ehe stehend, es wäre anders gekommen.
Mein Patenkind ist durch eine Erkrankung seit drei Jahren körperlich sehr eingeschränkt und lebt seither im Rollstuhl und ist immer auf Unterstützung angewiesen.
Da kann man nicht sagen: „Liebe dein Schicksal!“ Manche Schicksalsschläge sind schwer zu verdauen, manche Ereignisse so unsäglich tragisch und ungerecht. Die Katastrophen, die einem im Leben passieren können, die kann man nicht lieben.
Und trotzdem, irgendetwas lässt mich nicht los. Immer wieder denke ich verärgert darüber nach. Was auch gekommen ist und kommen mag, wir sollten es lieben und daran wachsen. Liegt in dieser für mich unzumutbaren Aussage eine schreckliche Wahrheit, die ich noch nicht annehmen kann? Manche Dinge brauchen Zeit.
Was für eine Lektion enthält diese Aufforderung für mich? Übernehme ich die Verantwortung für mein Schicksal. Bejahe ich mein Leben, ohne das Schwere zu ignorieren und davon wegzublicken? Etwas schön zu reden, führt in eine Sackgasse. Es ist nur im eigenen Interesse, all das zu akzeptieren, was im Leben geschehen ist. Das Gute und das Schlechte, die Fehler, die man gemacht hat, und die Erfolge, die man feiern konnte. Liebt, was ihr nicht ändern könnt. Was ihr ändern könnt und wollt, verändert! Ist das der Schlüssel zu einem erfüllten Leben, wie Nietzsche sagte?