Eine Dramaqueen?

Bin ich eine Dramaqueen? Nein, das Leben mag vielleicht manchmal ein Drama sein, aber ich dramatisiere es nicht noch zusätzlich. Allerdings gibt es Situationen, da bin ich nicht wiederzuerkennen.
Dazu ein Beispiel: Ich wollte meine Jause beim SPAR mit der Bankomatkarte bezahlen und sie wurde abgelehnt. Das war, als hätte jemand in meinem Gehirn einen Alarmknopf gedrückt. Meine Gedanken wirbelten panisch durcheinander. Was ist mit meinem Geld? Ich habe mehr als genug auf meinem Gehaltskonto. Warum ist meine Karte gesperrt? Soll ich beim Bankomat eine Bargeldabhebung versuchen? Oder lieber nicht, es könnte sein, dass er die Karte einzieht. Ich muss wissen, was mit meinem Konto los ist.
Unruhe breitete sich in meinem ganzen Körper aus. Unbehagen schlich in meine Magengrube, ich zitterte und meine Bewegungen wurden fahrig. Mein Herzschlag war deutlich zu spüren. Die nächsten Stunden war ich kaum in der Lage, mich auf meine Arbeit zu konzentrieren. In meinem Kopf lief die Frage „ Was ist mit meinem Geld passiert?“ in einer Art Dauerschleife.
Endlich zu Hause versuchte ich mittels E-Banking in mein Konto einzusteigen. Es funktionierte nicht. Mein Konto war weder gesperrt noch war mir der Zugriff verweigert worden, sondern es passierte einfach nichts. Jetzt war ich in Panik. Die Nachrichtensendungen der letzten Tage fielen mir ein. Stündlich konnte man hören, dass in den USA eine Pipeline gehackt worden war und nun Lösegeld verlangt wurde. Vielleicht war meine Bank auch von einer kriminellen Organisation gehackt worden? Mein Girokonto in den Händen von Kriminellen! Unverzüglich fuhr ich zur Bank, ich musste wissen, was los war.
Mit der Bankomatkarte in der Hand ging ich zielstrebig auf eine Angestellte zu und erzählte ihr meine Probleme. Leider konnte sie mir nicht helfen, da ich im falschen Geldinstitut war. Ich konnte nicht mehr klar denken, ich war einfach zur nächsten Bank gefahren, die auf dem Weg legen war. Als ich endlich bei meiner Kundenbetreuerin saß, war ich völlig aufgelöst. Sie versuchte mich zu beruhigen und erklärte mir etwas „von einem Fehler“, der in der Zentrale passiert war. Morgen oder übermorgen sollte meine Karte wieder funktionieren. Es war mir nicht möglich, ihren Erklärungen zu folgen, so durcheinander war ich. Ich wollte nur mehr mein Geld vom Konto abheben. Bin ich eine Dramaqueen?
Vor ein paar Wochen bekam ich Zahnschmerzen und ich musste zum Zahnarzt. Vor drei Jahren war ich das letzte Mal bei ihm gewesen, weil ich große Angst vor ihm habe. Ich kenne meine Panik vor einem Zahnarztbesuch nur zu gut. Nur diesmal war etwas anders, ich konnte mich beim Denken beobachten und zu dem, was ich dachte, auf Distanz gehen. Ich glaube, meine Meditationspraxis zeigt Wirkung.
Von dem Zeitpunkt an, von dem an  ich beschlossen hatte, zum Zahnarzt zu gehen, musste ich immer wieder an die bevorstehende Behandlung denken, machte mir Sorgen und erinnerte mich an all die schrecklichen Geschichten. Eigentlich waren nur zwei  Zahnarztbesuche in meinem Leben fürchterlich gewesen, bemerkte ich jetzt. All die anderen Male waren die unangenehmen Augenblicke verschwindend gering gewesen. Dann musste ich an meine Schwester denken, die gerade einige schlimme Behandlungen hinter sich hatte. Sie bekam Zahnimplantate, was mit meiner Situation nicht vergleichbar ist. Aber meine Gedanken versuchten mich auf diese Weise zu erschrecken, nur ließ ich mich nicht darauf ein, sondern beobachtete. Als Nächstes fiel mir die Geschichte einer Kollegin ein, die sich gleich vier Zähne entfernen hatte lassen.  Dann sagte ich mir: „Genug mit den Schauergeschichten, ich will nicht mehr daran denken. Ich hatte eine ruhige Nacht. Am nächsten Morgen saß ich relativ gelassen beim Zahnarzt. Die Wartezeit war kurz, die Spritze spürte ich kaum und bei der Behandlung hatte ich keine Schmerzen.
 
Meine Befürchtungen, Ängste und Sorgen waren völlig umsonst gewesen. Es war sehr interessant für mich gewesen, meine Gedanken in dieser Situation zu beobachten, und ich frage mich, wer denkt mich da?
Eine Träumerin