Die Farben des Himmels
Manchmal frage ich mich, wie es möglich ist, sich der Magie eines Regenbogens zu entziehen. Diese flimmernde Illusion, die gleichzeitig da ist und doch nicht ist, vereint so viele Gegensätze in sich. Ein Regenbogen erscheint am Himmel und für einen kurzen Moment scheint die Welt stillzustehen, als ob die Zeit selbst innehalten würde, um dieses Schauspiel zu bewundern.
Als Kind habe ich mich oft gefragt, was der Regenbogen wirklich ist. Natürlich lernte ich in der Schule, dass es ein Naturphänomen ist, verursacht durch die Brechung und Reflexion des Lichts in Regentropfen. Doch diese wissenschaftliche Erklärung konnte die Faszination, die ich empfand, nicht mindern. Es war mehr als nur ein physikalisches Phänomen. Es war ein Wunder.
In alten Zeiten glaubten die Menschen, der Regenbogen sei eine Brücke zu dem, was nicht benannt werden kann. Fast jede Mythologie der Welt erwähnt ihn auf die eine oder andere Weise. Die australischen Aborigines verehren die Regenbogenschlange als Schöpfer der Welt und aller Wesen. In der griechischen Mythologie ist es die Göttin Iris, die auf dem Regenbogen zur Erde herabsteigt. Und auch die Germanen sahen in ihm eine Brücke, die das Reich der Menschen mit dem der Götter verband. Ein Regenbogen offenbart ein Stück des Himmels, etwas, das jenseits von Zauber und Realität liegt.
Das Alte Testament erzählt, der Regenbogen sei das Symbol für einen alten Bund, den Gott einst mit den Menschen geschlossen habe. Nachdem Blitz und Donner furchterregend über uns niedergegangen seien, wolle der Herr im Anschluss den Regenbogen schicken. Dieser Bogen am Himmel, der an einen gesenkten Kriegsbogen erinnert, soll ein Zeichen seines immerwährenden Wohlwollens sein. Aus den ältesten Übersetzungen der Bibel geht sogar hervor, dass die ursprüngliche Bedeutung des Wortes „Heiligenschein“ nichts anderes meint als Regenbogen – die sieben Farben der sieben mystischen Welten, die eine erleuchtete Seele durchwandert hat.
Ich erinnere mich an einen regnerischen Nachmittag, als ich mit Kindern in den Bergen unterwegs war. Der Regen hatte gerade aufgehört, die Sonne brach durch die Wolken, und plötzlich war er da – ein perfekter Regenbogen, der sich über das Tal spannte. Die Jungs standen mit offenen Mündern da, ihre Augen weit aufgerissen vor Staunen. In diesem Moment sah ich den Regenbogen nicht nur durch meine eigenen Augen, sondern auch durch die ihrer kindlichen Unschuld. Es war, als ob wir alle für einen kurzen Augenblick eine Verbindung zu etwas Größerem spürten, zu etwas, das weit über unser alltägliches Verständnis hinausging.
Diese Momente der Verbindung und des Staunens sind es, die das Leben so besonders machen. Der Regenbogen erinnert uns daran, dass es in unserer Welt noch so viel mehr gibt, als das, was wir mit bloßem Auge sehen oder mit wissenschaftlichen Formeln erklären können. Er ist ein Symbol der Hoffnung, des Friedens und der Schönheit, die überall um uns herum existiert, wenn wir nur genau hinsehen.
Jedes Mal, wenn ich einen Regenbogen sehe, fühle ich mich wieder wie ein Kind. Und vielleicht ist das die wahre Magie des Regenbogens: Er erinnert uns daran, dass es immer etwas gibt, das uns verzaubern und inspirieren kann – wenn wir nur bereit sind, es zu sehen.
Eine Träumerin