Die Macht der Glaubenssätze

Die letzten zwei Wochen lag ich flach. Krankenbett, Teetassen, Taschentücher – das volle Programm. Und weil man im Bett ja nicht viel tun kann, blieb mir Zeit zum Nachdenken. Dabei stolperte ich über einen interessanten Gedanken: Warum fühle ich mich erst dann berechtigt, mich auszuruhen, wenn ich krank bin?
 
Darf ich vorstellen? Cassandra. Nein, nicht die tragische Gestalt aus der griechischen Mythologie, sondern meine ganz persönliche innere Stimme. Sie ist eine Giftspritze erster Klasse, scharfzüngig, zynisch und gnadenlos. Seit Jahrzehnten raunt sie mir ihre Weisheiten ins Ohr, und ich habe ihr viel zu lange geglaubt.
Ihre Botschaften? Ein Best-of der toxischen Glaubenssätze: „Ohne Fleiß kein Preis!“, „Wenn es nicht wehtut, hast du dich nicht genug angestrengt!“, „Du bist faul!“, „Du willst doch niemandem zur Last fallen!“ und mein persönlicher Favorit: „Irgendwas stimmt nicht mit dir.“
Ich habe sie alle verinnerlicht.
Doch was sind Glaubenssätze eigentlich? Sie sind Annahmen über die Welt, die wir für absolute Wahrheiten halten. Sie sind wie eine unsichtbare Brille, durch die wir die Welt sehen, ohne zu merken, dass wir sie tragen. Oft haben wir sie schon in unserer Kindheit aufgesetzt bekommen, durch Erziehung, Kultur oder Prägungen.
Doch nur weil ich diese Brille trage, heißt das nicht, dass ich sie nicht absetzen kann!
Also habe ich mich in meinem Krankenbett entschieden: Schluss mit Cassandra. Statt ihr weiterhin zuzuhören, will ich meine eigene, viel freundlichere Stimme finden und ihr Raum geben. Eine Stimme, die mir sagt:
  • „Ich darf mich ausruhen, einfach so.“
  • „Ich bin wertvoll, auch wenn ich mal nichts leiste.“
  • „Es darf leicht sein.“
  • „Ich darf Hilfe annehmen.“
  • „Jeden Tag werde ich mehr ich selbst.“
Ich möchte mich selbst mit Mitgefühl und Nachsicht behandeln. Mir auf die Schulter klopfen, anstatt mir in die Rippen zu treten. Und ja, das wird eine Weile dauern. Aber der erste Schritt ist das Wahrnehmen. Das bewusste Hinhören: Was erzählt mir meine innere Stimme eigentlich den ganzen Tag? Und dann die Entscheidung treffen: Will ich das wirklich weiter glauben?
Denn am Ende sind Glaubenssätze nichts weiter als Gedanken, die wir so oft gedacht haben, dass wir sie für die Wahrheit halten. Und wenn das so ist, dann können wir auch neue Gedanken wählen. Gedanken, die uns guttun, uns Kraft geben, uns ein Lächeln aufs Gesicht zaubern.
Also: Danke für nichts, Cassandra. Ich habe eine neue Erzählerin in meinem Kopf, und sie ist freundlich, zuversichtlich und überzeugt davon, dass ich ein wertvoller Mensch bin. Zeit, ihr zuzuhören!
Eine Träumerin