Die Sache mit der Disziplin
Ich dachte, ich höre nicht recht, als mir heute mein Arzt einen Vortrag über Disziplin hielt. Normalerweise bin ich die, die den Kindern erklärt, was Disziplin bedeutet. Sich selbst unter Kontrolle zu haben. Widerstehen. Verzichten. Ablehnen. Nein sagen. Das scheint für viele von uns immer schwieriger zu werden. Wer unbedingt alles haben will, was er momentan gerade begehrt und das am besten noch sofort, ohne jegliches Warten, der wird es nicht leicht haben im Leben. Viele empfinden Einschränkungen als inakzeptabel und lehnen sich dagegen auf. Sich gegen das Wetter, eine rote Ampel oder eine körperliche Unpässlichkeit aufzulehnen, hilft allerdings wenig und kostet nur unnötig Kraft.
Ich sage mir immer: „Freiheit ist, nicht jeder Versuchung nachgeben zu müssen.“ Da ich aber kaum einer Versuchung widerstehen kann, habe ich gelernt, ihnen aus dem Weg zu gehen. Wenn ich gar nicht erst in den Supermarktgang mit den Süßigkeiten gehe, greife ich auch nicht zu. Weil ich einen großen Bogen um den Schnellimbiss mache, steigt mir auch der Essensduft nicht in die Nase. Ich greife nicht zum Smartphone, wenn ich eigentlich arbeiten will.
Kontrolle über sein Leben und sich selber zu haben, ist etwas Gutes und bedeutet weniger Verzicht als Belohnung. Wahre Freiheit ist, wenn man seiner Lust nicht verfällt und die Entscheidungen selbst in der Hand hat. Selbstdisziplin ist allerdings nicht nur eine Frage der inneren Einstellung, sondern eine Folge von Einübung und Gewöhnung.
Gegebenheiten zum Üben gibt es im Alltag genug. Wenn es im Raum nach Mehlspeisen riecht oder man von einem Mitmenschen zur Weißglut getrieben wird. Alles Gelegenheiten, in denen man Selbstbeherrschung üben kann. Wer nicht mit Ausdauer eine vielleicht mühsame und anstrengende Pflicht erfüllt, der wird in seinen Erfolgen weit hinter seinen Möglichkeiten zurückbleiben und vielleicht weniger glücklich und zufrieden sein als diejenigen, die das gelernt haben.