Entrümpeln – oder:
Warum mein Suppentopf größer war als mein Leben
Ist das Leben nicht im Kern eine endlose Abfolge von Aufräumaktionen? Mal äußerlich – Schränke ausmisten, Böden fegen, Keller entstauben. Mal innerlich – Gedanken ordnen, Groll entsorgen, Wünsche auf ihre Haltbarkeit prüfen. Ein bisschen so, als würde man permanent versuchen, die Schublade des Daseins zu schließen, während einem das halbe Innenleben wieder entgegenquillt.
Denn das Gerümpel ist überall. Es sitzt im Dachboden voller Dinge, die uns vorwurfsvoll anstarren: „Reparier mich!“ „Lies mich!“ „Benutz mich endlich!“ – und falls das nicht klappt: „Verkauf mich doch wenigstens!“ Gleichzeitig wohnt es in unserem Kopf, in Form von Sorgen, alten Geschichten und Erwartungen. Kurz gesagt: Das Leben ist ein einziger Kampf gegen das Überflüssige.
Klingt philosophisch, nicht wahr? Leider endet es meist sehr profan – nämlich mit der Erkenntnis, dass man wieder einmal auf einem Stapel ungelesener Zeitschriften sitzt.
Die Methode „Ein Ding rein – ein Ding raus“
Jahrelang habe ich mit eiserner Disziplin mein persönliches Gleichgewicht gehalten. Kauft man einen neuen Pullover, muss ein alter gehen. Klingt gut, funktioniert aber nur, solange die Schränke nicht schon so vollgestopft sind, dass beim Öffnen die Bluse von 1997 wie ein böses Kuckucksei herausfällt. Irgendwann stand fest: Es reicht. Zu viel ist einfach zu viel.
Also habe ich im Juli den Feldzug gestartet. Mal eine halbe Stunde, mal zwei Stunden – ich kämpfte mich durch Papiere, Bücher, Kleidung, Geschirr. Und immer wieder fragte ich mich: Warum zum Teufel habe ich das eigentlich gekauft?
Die kuriosen Funde
Der 15-Liter-Suppentopf. Ich, Singlehaushalt, Esstisch für sechs. Was dachte ich mir dabei? Wollte ich im Notfall die halbe Feuerwehrschar verköstigen? Oder war es ein unterdrücktes Bedürfnis, einmal im Leben „Kantinenchefin“ zu spielen?
Der Bräter für acht Personen. Meine Gästezahl schafft es selten über vier. Wahrscheinlich habe ich das Ding gekauft, weil es „nach Zukunft“ roch. Leider kam die Zukunft nie vorbei.
High Heels, die ich seit Jahren nicht mehr tragen kann, ohne dass meine Füße in Streik treten. Ihr Abschied war schmerzhaft – weniger für die Füße als für die Seele. Es war, als hätte ich der Jugend persönlich die Tür gezeigt.
Entrümpeln als Zeitreise
Und dann waren da noch die Kleider, jedes ein kleines Kapitel meiner Biografie: das Kleid der Abschlussfeier, die Bluse vom ersten Schultag als Lehrerin, der Pullover von der Silvesterwanderung. Wer braucht schon ein Tagebuch, wenn er überfüllte Kleiderschränke hat?
Das große Freiwerden
Und dann passierte es: Mit jedem Stück, das ging, wurde nicht nur die Wohnung leichter, sondern auch mein Kopf. Ich entdeckte die Schönheit meiner Räume wieder, konnte plötzlich atmen – und fühlte mich frei. Besuch? Jederzeit! Urlaub? Kein Problem, die Wohnung ist in Ordnung!
Der philosophische Nachgeschmack
Vielleicht ist Entrümpeln die modernste Form der Meditation: ein bewusster Abschied vom „Irgendwann“, vom „Vielleicht“, vom „Man müsste mal“. Stattdessen bleibt das, was wirklich zu mir passt – jetzt, in diesem Leben.
Mein Rat: Fragen Sie sich ehrlich, ob Sie den exotischen Früchtetee von 2011 wirklich noch trinken werden. Wenn ja – bitte, jetzt gleich. Wenn nein – verabschieden Sie sich. Sie werden überrascht sein, wie befreiend es wirkt.
Und wenn Sie das nächste Mal in einem Anfall von Größenwahn einen Suppentopf für 15 Liter kaufen wollen – denken Sie an mich. Ich kann Ihnen aus Erfahrung sagen: Man wird auch ohne glücklich.
Eine Träumerin