Fastenzeit – der Gewinn durch Verzicht

Auf den Faschingsdienstag kommt der Aschermittwoch. Nachdem ausgelassen das Leben gefeiert worden ist, kommt eine Zeit der Umkehr, des Verzichts. Fasten und Feiern beides ist im Vergleich zum Alltag außergewöhnlich, aber sie gehören zusammen wie das Ein- und Ausatmen, wie Schlafen und Wachen, sie sind ein Teil im Rhythmus des Lebens.
In den Religionen ist Fasten auch „Umkehr“ und weit mehr als nur ein körperlicher Verzicht. Es ist eine spirituelle Übung, den eigenen Willen zu beherrschen und zurückzunehmen, eine Umkehr von Leidenschaften, eine Abkehr vom Ego. Angestrebt wird die Reinigung des ganzen Menschen, des Leibes, des Gemüts, des Geistes und des Herzens.
Anselm Grün sagt zum Fasten: Es geht nicht ums Kasteien. Es geht nicht ums Verzichten an sich. Und schon gar nicht um einen griesgrämigen, freudlosen Verzicht. Im Gegenteil: Es geht darum, das eigene Verhältnis zu sich selber, zu den Dingen, zu anderen, zu Gott wieder ins rechte Lot zu bringen, sein Inneres und auch sein äußeres Leben neu zu ordnen, sich neuen Freiraum zu verschaffen, hinter unseren Süchten wieder eine tiefere Sehnsucht zu spüren und diese Spur wieder aufzunehmen. Natürlich hat das Konsequenzen: spirituell und politisch, im Lebensstil, beim Essen und beim Konsum, in der Beziehung zu unserer Umwelt, im Verhältnis zu unseren Mitmenschen.

So betrachtet ist für mich die Fastenzeit eine Zeit, in der ich versuche, aus meiner Komfortzone herauszukommen, und mir eingestehe: Es läuft gerade nicht so gut, ich will etwas ändern. Ich hatte Fastenzeiten ohne Süßigkeiten, ohne Kaffee, ohne Auto, einmal nahm ich mir vor, nicht mehr fernzusehen, ein andermal nahm ich mir vor, täglich zu joggen. Alles das machte ich, weil ich eine leise Ahnung hatte, mein Leben könnte dadurch besser werden. Manches Mal scheiterte ich mit meinem Fastenvorsatz grandios, während ich ein anderes Mal durch die Beschränkung ein großes Stück Freiheit geschenkt bekam. Als ich auf das Fernsehen verzichtete, starrte ich ein einige Tage auf die schwarze Mattscheibe und dann begann ich die freigewordene Zeit zu genießen. Ich las mich durch mein Bücherregal, kochte, traf Freunde, entdeckte großartige Radiosendungen und besuchte das Kino. Ich ging spazieren oder in die Sauna und manchmal auch einfach früher ins Bett. Seither wird mein Fernseher oft monatelang nicht eingeschaltet. Das ist meine Erfolgsgeschichte.
Es ist eine Lust, sich der eigenen  Freiheit zu versichern. Ich beweise mir durch den bewussten, zeitlich beschränkten Verzicht, dass ich mir nicht jedes Verlangen sofort erfüllen muss. Genau darum geht es mir: Ich will mir beweisen, ich bin noch Herr in meinem eigenen Leben.
Eine Träumerin