Ich bin so zerstreut
Morgen wird ein anstrengender Tag, denke ich mir. Als Erstes muss ich in die Putzerei. Dann muss das Auto in die Werkstatt. Hoffentlich wird das nicht zu teuer. Worüber wird gerade abgestimmt? Ich ärgere mich über meine Unaufmerksamkeit, die Konferenz dauert schon über eine Stunde und es fällt mir immer schwerer, mich zu konzentrieren. Morgen muss ich mit dem Bus fahren oder sollte ich besser zu Fuß gehen. Vielleicht checke ich zuerst den Fahrplan und dann entscheide ich mich.
Mein Smartphone ist griffbereit und ich suche mir die Abfahrtzeiten heraus. Auf meinen Kalender sehe ich, dass morgen schon die Pfarrgemeinderatssitzung ist. Da werden sie wieder an allem herumnörgeln. Gerade kommt eine WhatsApp Nachricht. Hast du morgen Abend Zeit, ich müsste was mit dir besprechen, schreibt die beste Freundin. Ja. Nein. Doch. Irgendwie. Was könnte sie besprechen wollen? Hm? Jetzt kann ich gleich noch die E-Mail checken. 13 ungelesene Nachrichten. Puh, was steht wohl in den vielen Nachrichten? Ich habe keine Ahnung von dem, was gerade in der Konferenz besprochen wird.
Wenn meine Aufmerksamkeit nicht gerade gefordert wird, neigt sie dazu, sich in alle Richtungen zu zerstreuen. Die Buddhisten sprechen vom Affengeist. Darunter versteht man einen unruhigen Geist, der wie die Affen im Dschungel immer von einem Ast zum nächsten springt.
Mir als Lehrerin ergeht es im Unterricht ähnlich, ich bemerke, dass nach 15 Minuten die Kurve der Aufmerksamkeit bei den Kindern einbricht. Da die Konzentrationsfähigkeit immer mehr abnimmt, versuchen wir den Unterricht an die Unterhaltungsstandards des Fernsehens anzupassen. Der Methodenwechsel ist zu einer Art Fetisch geworden. Mit Freiarbeit, Lerntheken, Zirkeltraining, Lernwerkstätten versuchen wir die Kinder bei Laune zu halten. Möglichst viel Abwechslung ist die Devise und damit wird die anhaltende Aufmerksamkeit weiter sabotiert.
Ständig sind wir von kleinen, ruckartigen Ablenkungen unterbrochen. Ich denke dabei an Büroangestellte: Mitarbeiter, die an die Tür klopfen, unterbrechen die Arbeit. Anrufe lenken ab, Kurznachrichten lösen lange Gedankengänge aus. E-Mails stören die ausgehenden Gedanken. Die Gegenwart ist voll von Gedanken an die Vergangenheit oder die Zukunft. Die Zeit vergeht so schnell, dass man immer zu langsam ist. Wie soll es unter diesen Bedingungen möglich sein, sich auf nur eine Tätigkeit zu konzentrieren?