Wien und seine wunderbaren Frauen

Das vergangene Jahr war für mich ein Jahr der Fahrten nach Wien. Zweimal im Monat fuhr ich dorthin, um meine Schwester zu besuchen. Krankenhäuser, Pflegeheime, Reha-Zentren –  Räume,  in denen die Zeit seltsam stillzustehen scheint. Ich hoffte, ich könnte etwas beitragen zu ihrer Genesung. Doch je mehr Wochen vergingen, desto deutlicher wurde mir: Sie wird nicht wieder gesund. Diese Erkenntnis schmerzt noch immer, und ich muss lernen, dass es ein „wieder gesund“ für sie nicht geben wird.
Neben all der Schwere gab es Lichtblicke – kleine Inseln von Freundlichkeit und Menschlichkeit. Ulrike und Maria, zwei Frauen, die mich nicht kannten, stellten mir unentgeltlich ihre Wohnungen zur Verfügung. Einfach so. Damit ich meine Schwester besuchen konnte. Wer so etwas erlebt, weiß: Großzügigkeit kann Leben verändern.
 
 
In ihrer Gastfreundschaft lag ein Wunder, das ich mit jedem Blick aus dem Fenster spürte – dort, wo der Turm des Stephansdoms über die Dächer ragte wie ein stiller Wächter meiner Tage. Mit Ulrike streifte ich durch die Albertina, stand vor Bildern, die Geschichten atmeten, die weit größer waren als meine eigenen Sorgen. Von beiden bleibt mir ein Gefühl: dass es in dieser Welt eine Güte gibt, die keine Begründung braucht.
Dann Sylvia, ein Sommermorgen im Teehaus Haas. Ein Tisch, ein Gespräch, ein Lächeln – und plötzlich eine neue Freundin. Aus einer Begegnung wurde eine Freundschaft, die mich bereichert und inspiriert. Mit ihr tauchte ich in das Kulturleben Wiens ein: Konzerte, Theater, eine Dali-Ausstellung. Sie war für mich wie ein Gegengewicht zu den schweren Besuchen – ein Atemholen, ein Stück Leichtigkeit.
Auch durfte ich Gaby, eine Freundin, meiner Schwester näher kennenlernen. Eine Frau, die nichts daran hindert, das Leben zu lieben. Ihre Leidenschaft für Musik, für Theater, für Tanz ist unerschöpflich. Ihre Treue zu meiner Schwester rührt mich zutiefst. Mehrmals in der Woche sitzt sie an ihrem Bett, hört zu, hält aus. Sie verkörpert für mich stille Stärke, eine, die nicht laut ist und doch unerschütterlich trägt.
Schließlich Karin, meine langjährige Freundin. Wie gut, dass ich sie in Wien wieder regelmäßig gesehen habe. Unsere langen Gespräche im Gastgarten des Tewa, das gemeinsame Staunen bei der Lightshow in der Votivkirche – das alles war ein Anker. Mit ihr konnte ich das Leben teilen, so wie es gerade war: schwer und schön zugleich.
So wurde Wien für mich nicht nur eine Stadt aus Steinen, Plätzen, Märkten und Kirchen. Es wurde ein Geflecht aus Begegnungen, ein Teppich gewebt aus weiblicher Stärke, Großherzigkeit, Inspiration und Freundschaft.
Ich habe Wien in allen Jahreszeiten gesehen – im hellen Sommer, im funkelnden Advent. Doch was bleibt, sind nicht die Fassaden oder die Museen. Was bleibt, sind die Frauen. Wien, das sind für mich seine wunderbaren Frauen.
Und vielleicht ist es genau das, was Soultime für mich bedeutet: den Faden der Erinnerungen aufnehmen, ihn mit Dankbarkeit verweben – und aus den Begegnungen ein Stück Heimat im Herzen formen.
Eine Träumerin